DER URSPRUNG DER WELT II, 2018, Kunstpelz, Textilien, T-Shirt


Von GENITAL PANIK zu GENITAL IDYLLIK
Installation zu DER URSPRUNG DER WELT II, 2018


                 
Nina Schedlmayer
                                 
Der Ursprung der Welt II


Nicht immer war die Entblößung der Vulva so tabuisiert wie heute. So präsentieren Frauen in der romanischen Bauplastik, mehr oder weniger abstrakt dargestellt, provokant ihre Schamlippen. Die Figuren finden sich auf Kapitellen sowie Portalen von Kathedralen und Kirchen. Sie verbreiteten sich seit dem 11. Jahrhundert von Frankreich und Spanien aus bis nach Irland, wo sie den Namen "Sheela-na-Gig" erhielten. Diese Skulpturen und Reliefs hatten meist apotropäische Funktion, sollten also das Böse und das Unheil abwehren. Man schrieb dem entblößten weiblichen Geschlecht offenbar ungeheure Kräfte zu. Es sollte die Menschen beschützen.
Theres Cassinis Interpretation der Vulva kann wie ihre romanischen Vorläuferinnen – auch – als Schutzobjekt betrachtet werden. Der Titel der 50 Objekte, "Der Ursprung der Welt II", spielt an auf das berühmte Gemälde Gustav Courbets, das auf die Vulva einer Liegenden fokussiert. Cassinis „Ursprung der Welt II“ besteht aus zwei rosa Wülsten, die in einen grauen Kranz aus Kunstfell gebettet sind und an den Schulterteil eines T-Shirts genäht werden (Auflage: 50 Stück). Sie sitzen an jener Stelle, die bei Uniformen oder Rüstungen Epauletten vorbehalten ist. Diese sollten ihre Träger ursprünglich vor Säbelhieben schützen, stellten später aber, auch durch die spezifische Art der Gestaltung, Auszeichnungen und Dienstgrade dar.
Cassinis Vulva ist in mehrerlei Hinsicht exponiert: durch ihre kräftige Farbe, aber auch durch ihre prominente Platzierung. Gleichzeitig umgibt sie graues Haar wie ein Nest. Es ist also ein Spiel zwischen Verstecken und Herzeigen. Die Objekte Cassinis besitzen auch eine taktile Dimension. Man kann in sie eindringen; doch ähnlich wie bei Valie Exports Tapp- und Tastkino stellt man sich dabei selbst aus, bei einer in diesem Fall quasi-sexuellen Handlung. So öffnen sich mehrere Bedeutungsebenen.
Die Vulven tauchen auch in dem Selbstporträt "Von GENITAL PANIK zu GENITAL IDYLLIK" auf. Da liegt die Künstlerin nackt auf einem weißen, raumlosen Grund, der wie sie selbst von ihren Objekten bedeckt ist: Sie stehen, wie auch "Der Ursprung der Welt II", für eine starke, selbstbestimmte und machtvolle weibliche Sexualität, die nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wird.