SALZBURGER NACHRICHTEN   26. November 2008

Einverleiben ist Teil der Kunst von Hedwig Kainberger

Lichtspeisen. Speisen auf Glas und Licht können leuchten. Dies nützt die Künstlerin Theres Cassini.
Wie aus Licht und Speisen Kunstwerke werden können, hat die in Wien lebende Künstlerin Theres Cassini erforscht.

SN: Worin besteht Ihre Kunst? Im Anrichten von Essen?
Cassini: So kann man das nicht sagen. Es beginnt mit der Suche und dem Zubereiten von Speisen. Mich fasziniert, wie man Speisen zum Leuchten bringt und sich diese leuchtenden Objekte einverleibt.

SN:Wie bringen Sie Speisen zum Leuchten?
Cassini: Vor vielen Jahren hab ich mit Dias gearbeitet, aus dieser Zeit ist noch ein Leuchttisch in meiner Wohnung. Da wurde ich neugierig, wie es ist, darauf mit Glasgeschirr zu essen und Speisen zu servieren, deren Struktur man im Licht sieht. So hab ich Speisen gesucht, die lichtdurchlässig sind.

SN:Wie rezipiert man Lichtspeisen als Kunstwerk?
Cassini: Nicht nur durch Schauen, sondern auch mit anderen Sinnen. 19 Mal hab ich Gäste an meinen Lichttisch eingeladen, es gab jeweils zwölf Gänge, die wurden miteinander verspeist. Und dabei hab ich immer fotografiert.
Primär geht es um das Licht und die Durchdringung der Objekte mit Licht. Da der Tisch von unten herauf leuchtet, wird auch eine durchsichtige Speise darauf leuchten. Heidelbeermark in einer flachen Glasschale ist schwarz, auch auf dem Leuchttisch. Doch wenn eine Mangokugel drinliegt und das Mark verdrängt, leuchtet von unten das Licht durch. Wenn ich die Kugel vom Teller nehme, wird dieses Licht sofort fahl, lege ich sie zurück, leuchtet sie wieder. Das ist wunder-schön, und es ist eine wunderbare Vorstellung, wie so eine Kugel im Mund, und dann im Schlund bis in den Magen leuchten könnte.

SN:Ist das Essen also Kunst?
Cassini: Ja, auch das Einverleiben ist Teil des Kunstwerks. Normaler-weise isst man gedankenverloren, um satt zu werden. Aber Licht-speisen werden zelebriert. Es gibt viel zu sehen, zu spüren, zu riechen und zu schmecken. Einmal sind es Gelees, einmal Schäume, einmal wird etwas zwischen Gaumen und Zunge zerdrückt und dabei explodiert der Geschmack.

SN:Könnte jedes gute Essen als Kunstaktion verstanden werden?
Cassini: Das hängt davon hab, wie jeder sich selber definiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass Gourmets das Essen als Kunstakt verstehen, wenn sie extrem ausgefeilte und neue Geschmacks-facetten erleben und dies zelebrieren.

SN:Verwenden Sie Kunstfarben?
Cassini: Nein, nur natürliche. Ich habe viel mit Früchten gearbeitet, die haben die herrlichsten Farben, wenn man sie nicht zerkocht, Heidelbeer, Mango, Marillen. Und das Erbsgrün ist wunderbar!

SN:Was wird aus den Fotos, die Sie während des Essens machen?
Cassini: Aus einigen entstehen Leuchtboxen, also großformatige, von hinten beleuchtete Bilder. Dafür habe ich vierschichtige Lichtkästen anfertigen lassen, die hinterste Schicht ist speziell sandgestrahltes Glas. So entstehen unterschiedliche Nuancen und Tiefen.
Dann gibt es "Harztondi", das sind in Harz getränkte runde Fotos von Speisen. Oder die "Left overs", dafür stelle ich die zwölf leer gegessenen Glasteller aufeinander und am nächsten oder übernächsten Tag, je nach Licht, fotografiere ich die Speisereste am Glas. So entstehen raffinierte, teils abstrakte Bilder.

SN:Und die "Schleck-Shots"?
Cassini: Irgendwann hat einer der Gäste angefangen, den Teller abzuschlecken, was eigentlich verpönt ist. Dann haben andere mitgemacht. Ich hab das fotografiert, und es ist faszinierend, dieses Vergnügen und diese Begeisterung von Menschen zu sehen, die das Letzte vom Teller runterholen.

SN:Wer sind Ihre künstlerischen Vorbilder? Stillleben? "Eat art" von Daniel Spoerri?
Cassini: Vorbilder in diesem Sinne hab ich nicht. Aber natürlich bin auch ich beeinflusst, etwa von Thomas Schütte, Marcel Duchamp, Dan Flavin, Jeff Wall bis zu Künstlern der "Eat Art"

SN:Sind Sie Essensaktionistin? Speisefotografin? Kochkünstlerin?
Cassini: Ich mache konzeptionelle Fotografie. Diesfalls war es das Essen. Im nächsten Projekt werde ich mich wieder mit Licht beschäftigen, aber ohne Essen.

Bilder von Theres Cassini sind in deren Atelier in Wien zu besichtigen. E-Mail: cassini@cassini.at

Das Buch "Cassinis Lichtspeisen" mit einem ausführlichen Text des Kunsthistorikers Thomas Zaunschirm ist soeben im Residenzverlag erschienen.

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