KLEINE ZEITUNG 17. Juli 2006

Eine Ästhetik des Ekels von Bernd Czechner


Leibesmassen sprengen ihre Behausungen, deformierte Nachtpuppen huldigen einem Popanz: Theres Cassini in der Wolfsberger Stadtgalerie.

Die fotografische Manipulation wirkt als letzgültige Entwicklungsstufe über den und gegen die bildgebenden Objekte. Die in Kärnten geborene Foto- und Objektkünstlerin Theres Cassini (geb. 1960 in Rattendorf, lebt und arbeitet in Wien) hat mit ihren interdisziplinären, körperbezogenen Arbeiten schon in den 90er Jahren - über die Grenzen Österreichs hinaus - Aufmerksamkeit erregt (Preis für Modekunst, 1991 EXPO Sevilla und Barcelona, 1992 Paris). Vor neun Jahren entstanden die ersten Fotoarbeiten. Das selbst gebaute, geformte, komponierte Objektvorbild ist ebenso autonom als Kunstwerk, wie Grundlage für die, in weiterer Folge, computergenerierten Bildwerke.

Die ehemalige Klosterkirche am Wolfsberger Minoritenplatz hat sich der Künstlerin als idealer ("neutraler") Ort angeboten, um für eben dort einen dreiteiligen Objekt/Plastik/Fotozyklus zu schaffen. "Leibes-Hausungen" nennt Theres Cassini dieses mehrfache Triptychon um Körperlichkeit, Hollywoodglamour, Hörigkeit und Befreiung, Reinheit und Deformation.

Theres Cassini arbeitet in visuellen Zusammenhängen. Ready mades, gesammelte Fundstücke setzen den konzeptuellen Ausgangspunkt. Applikationen, malerische oder skulpturale Eingriffe entheben diese Objekte ihrer vorangegangenen Geschichte/Bedeutung, die so eine neue Zuweisung gewinnen. Im dritten Grad erfolgt die Verschmelzung in der Zweidimensionalität, gleichzeitig mit einer Verfremdung zur eigentlichen, anderen Wirklichkeit hin. Die fotografische Abbildung nämlich erhält sinngebend-verdichtende Beziehungsattribute bei. In dem Projekt "Leibes-Hausung" unterlegt Theres Cassini den sich entwohnenden "Behausungen" "Nahaufnahmen/Portraits mit großer Gefühlsintensität aus klassischen Filmsequenzen" und erreicht so eine "neue Emotionsqualität". Ein großartiges Puppentheater spielt sich ab in der altehrwürdigen Baulichkeit. Die Ikonen der Filmindustrie befreunden sich mit einer ihnen angebotenen Leibesmasse, fließen dräuend aus ihren Hollywoodstudios, die Geste, der schöne Schein gerinnt zu einer Ästhetik der Vergänglichkeit; die Angebeteten sind der Barmherzigkeit ausgeliefert, die Künstlichkeit sublimiert sich zur Kunst, der gerettete Kitsch erfährt sich als begnadeter Ekel.

Theres Casssini: Wolfsberg, Stadtgalerie am Minoritenplatz, bis 21.06


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