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DIE BRÜCKE März 2003
Körper . Frauen . Körper von Christine Grundnig
Eine Expertenjury entscheidet in Kärnten über Kunstankäufe
des Landes.
Drei "ausgewählte" Künstlerinnen werden hier exemplarisch
vorgestellt:
Theres Cassini . Ina Loitzl . Karin Sulimma.
In der letzten Jury zur Entscheidung über die Kunstankäufe
für die Sammlung der Kärntner Landesgalerie im Jahre 2002 sind 7 Künstler
ausgewählt worden.
Wenn von den sieben vier weiblich sind und sich davon drei in ihrer künstlerischen
Arbeit mit dem weiblichen Körper beschäftigen, so ist das kein Zufall,
sondern ein Beleg für die Aktualität der Thematik.
Seit in der Body Art, der lebende Körper, der persönliche Leib der Kunstschaffenden,
vom banalen Sujet der Darstellung zum künstlerischen Medium und zum Material
selbst avanciert ist, hat es eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dieser
Materie gegeben, und sie ist ein faszinierendes, zentrales Thema der zeitgenössischen
Kunst geblieben. Parallel zu den politischen und soziokulturellen Entwicklungen,
zum naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt hat sich der Diskurs um
den Körper in einer stetigen Befragung seiner (sich verändernden) Rolle
entsponnen. Festzustellen ist dabei ganz allgemein eine paradoxe Erscheinung von
zunehmender Bewertung des physischen Körpers einerseits, eines steigenden
Körperbewusstseins in der Gesellschaft, geradezu eines Körperkults,
bei gleichzeitiger Abwertung der fleischlichen Hülle andererseits. Durch
die neuen Möglichkeiten der Medizin und Gentechnologie ist der Körper
zu einem reproduzierbaren, industriellen Produkt geworden, das seine Einzigartigkeit
verloren hat, und, ob seiner Hinfälligkeit und daher notwendigen Reversibilität,
in einer konsumorientierten Kultur keinen höheren Wert mehr, als jede andere
alltägliche Ware am Markt darstellt - ein jederzeit partiell oder gänzlich
austauschbarer Gegenstand des Gebrauchs, der ohnedies heute, in Zeiten von Telekommunikation
und virtueller Realitäten, als ein hinderliches Relikt aus einer Zeit, in
der Wirklichkeit unabdingbar mit Körperpräsenz verbunden war, anzusehen
ist. Die Verfügbarkeit über den menschlichen Körper ist in einem
Maße angestiegen, das vor Jahrzehnten noch schier unvorstellbar war. So
ist die intensive Beschäftigung mit diesem Thema
in der Kunst nur eine logische Konsequenz, bei der es um eine ständige Überprüfung
des Zustandes und der Rolle, die dem Körper noch verbleibt, geht.
Es fällt auf, dass die Medienorientierung in der Kunst auch hier, nach wie
vor, außerordentlich groß ist - Fotografie, Film, Video und später
die digitale Verarbeitung waren von Beginn an wichtige artifizielle Mittel der
künstlerischen Praxis in diesem Bereich. Bewusst werden die Eigenheiten der
Medien genutzt, um die vielfältigen Möglichkeiten der sinnlichen Erfahrung
auszuschöpfen und anhand der unterschiedlichsten Inszenierungen, speziell
des weiblichen Körpers, neue Bilder zu finden. Über Bilder wird versucht
sich dem Körper anzunähern, sich ein "Bild" des eigenen Körpers
und, damit der eigenen Person zu machen. Durch Betrachtung, Spiegelung, Wiedergabe
in gemalten, fotografierten, gefilmten, abgeformten, computergenerierten u. a.
Bildern soll eine Form der Wahrnehmung gewährleistet werden und dieses uns
dermaßen vermittelte Bild wird dem inneren Bild, das wir aus der eigenen
Empfindung kennen, gegenübergestellt.
Zu keiner Zeit war der menschliche Körper ein ursprünglicher, natürlicher
und selbstbestimmter. Von je her wurde er von außen beeinflusst, geschmückt,
verändert und diszipliniert, medizinisch und pharmazeutisch behandelt. Er
ist das Ergebnis eines Sozialisierungsprozesses, entsprechend der jeweiligen Kultur
und ihren Normen, in der der Mensch lebt. Der postmoderne Körper gilt als
ein von außen konstruierter - der weibliche, durch den männlichen Blick.
Geschlechterrollenklischees resultieren daraus.
C a s s i n i
Der Körperverschleiß, Krankheit und Tod sind auch
im Werk von Theres Cassini wichtige Aspekte. Cassinis Basismaterial, inhaltlich
wie konkret plastisch, ist die Barbie-Puppe. Ein umstrittenes Spielzeug, das eigentlich
als erotisches Objekt für Herren entwickelt und erst später als Konsumgut
für kleine Mädchen entdeckt wurde. Demgemäß handelt es sich
um ein industrielles Serienprodukt eines makellosen künstlichen Frauenkörpers,
der sich durch besondere Betonung der weiblichen Formen, der Brust, der langen
Beine, der Wespentaille, des kleinen Kopfes, der üppigen Haare, als Konstrukt
männlicher Idealvorstellung zeigt. Dieses Konstrukt führt Cassini zurück
in Erscheinungsbilder natürlicher Frauenkörper. Durch unterschiedliche,
aufbauende oder dekonstruierende skulpturale Techniken und durch eine imitative
Bemalung der Oberfläche werden die Puppen verändert. Mit Modelliermasse
werden Körperproportionen aufgebaut
- auch Geschlechtsteile -, die der Realität entsprechen, Verletzungen oder
Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität werden nachgestellt,
Gliedmaßen abgenommen, der Körper geöffnet usw., und sie werden
in Posen inszeniert, die unterschiedliche Frauentypen verschiedenen Alters, in
unterschiedlichen körperlichen Zuständen und Aktionen bzw. Rollen wiedergegeben.
Dadurch gewinnt die Figur Individualität, sie wird als Wesen mit einer persönlichen
(Lebens-)-geschichte, mit Erfahrungen aus Lust und Leid, Freude, Krankheit und
Verletzung usw., und einem dementsprechenden individuellen Körper besonderer
Eigenschaften charakterisiert - ihre Würde wird ihr zurückgegeben (Cassini).
Symbolisch stehen sie alle auf einem äußerst instabilen Terrain, sie
balancieren ihr Selbst auf einer Bowlingkugel, die jederzeit kippen könnte.
In kreisende Bewegung versetzt, fotografiert die Künstlerin ihre Objekte
und erzeugt wunderbare, beinahe lebendige, poetische Bilder sensibler, selbstbewusster
Frauengestalten.
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